Der Dialog als solches verliert in der heutigen Gesellschaft immer mehr an Bedeutung. Schuld sind wir selbst, nicht etwa die „Umwelt“ mit ihrer Dauerbeschallung, der Konsumismus, der Kapitalismus. Wir selbst können entscheiden, ob und wie viel Zeit wir uns zum Zuhören nehmen wollen.

(Text: Alexandra Barone, Fotos: Collective Leadership Insitut)

Was ist der Unterschied zwischen reden und dialogisieren? Der flexible Rollenaustausch! Beim Reden sind die Rollen klar verteilt: Einer redet und der andere hört zu. Bei Dialog wiederum werden die Rollen immer wieder ausgetauscht: Mal redet einer und der andere hört zu, dann ist es andersherum. Der Vorteil? Beim Dialog geht es nicht nur um den Austausch von Botschaften, sondern um die Anerkennung des anderen, seiner Ideen und Ansichten – auch wenn sie manchmal sehr von den eigenen abweichen. Die Kunst des Dialogs  und der Kommunikation liegt also nicht nur im Reden, sondern im Zuhören und vor allem im Akzeptieren des anderen.

Dialogue: Listening, respecting, suspending and voicing

Laut William Isaacs vom Massachusetts Institute of Technology sind die elementaren Dialog-Fähigkeiten:

In anderen Worten: Nur wenn wir uns selbst nicht in den Vordergrund alles Handelns und Geschehens der Welt stellen und ein wenig Platz in unserem Gehirn schaffen für andere Gedanken, nur dann kann ein Dialog entstehen. Nach langer Selbstreflexion und eingehender Recherche bin ich schon seit Jahren auf diese Theorie gestoßen. Die Lösung aller unserer Probleme ist demnach der Dialog. Nur wenn man miteinander spricht, können wir als Erdenbewohner weiterkommen. Was ist aber wenn jemand sich nicht öffnet, wenn kein Dialog möglich ist, da mein Gesprächspartner lieber seine Ansichten in einem Monolog herunterleiert statt mir zuzuhören? Wie oft sehen wir dieses Verhalten bei unseren Politikern, unseren Chefs, unseren Partnern, unseren Freunden?

Die Bereitschaft zum Dialog erwecken

Ich wollte einen Schritt weitergehen und lernen, wie man andere dazu motiviert, eben diese Bereitschaft zu entwickeln. Wir gerufen kam da ein Kurs vom Collective Leadership Institut. Die international tätige Non-Profit-Organisation mit Sitz in Potsdam, Deutschland und Kapstadt, Südafrika unterstützt Akteure aus der Privatwirtschaft, dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft dabei, Veränderungsinitiativen und sektorübergreifende Partnerschaften für innovative und nachhaltige Lösungen zu globalen, nationalen und lokalen Herausforderungen zu finden und umzusetzen. Die Beschreibung gefiel mir und die Gründerin Petra Kunkel, die ein Mitglied des Club of Romes ist, beeindruckte mich. Ich meldete mich für den Kurs an. In einem Hotel in Potsdam erwarteten mich zwei amerikanische Kursleiter und 15 Teilnehmer aus der ganzen Welt. Es konnte losgehen.

Der Dialog in vier Phasen

Nach einer theoretischen Einführung lernten wir die vier Phasen des Dialogs kennen. Während man am Anfang die Bedürfnisse der einzelnen Gesprächspartner kennenlernen muss, kann man erst in der zweiten Phase Ziele und Ressourcen klären und die Zukunft zusammen planen. Die eigentliche Umsetzung beginnt in der dritten Phase, in der die Aufgaben bereits verteilt sind. Gerade wenn die einzelnen Partner und Parteien an eben diesen Aufgaben arbeiten, ist die Kommunikation wichtig sonst arbeiten alle in Silos vor sich hin und verlieren das eigentliche, gemeinsame Ziel aus den Augen. Erst in der vierten Phase kann man sich darauf konzentrieren, neue Unterstützer zu gewinnen. Soweit so gut. Im Idealfall dialogisieren alle miteinander und arbeiten zusammen. Was ist aber, wenn eine Gruppe nicht kooperiert, das Ziel nicht versteht oder schlichtweg lieber stur ihre eigenen Interessen verfolgt und gegen den Rest der Gruppe arbeitet?

Der Dialog und der Kompass

Hier kommt der „Kompass“ ins Spiel. Der Collective Leadership Compass soll helfen, die verschiedenen Gruppen mit diversen Ansätzen anzusprechen. Da jeder von uns ein Individuum ist, haben wir unterschiedliche Sorgen, Lebensansichten und Bedürfnisse. Wir möchten, dass wir verstehen und verstanden werden. Nur wenn wir fühlen, dass der Gegenüber tatsächlich Interesse an uns hat, öffnen wir uns. Nur wenn wir fühlen, dass unsere Ängste, Sorgen und Bedürfnisse tatsächlich verstanden werden, erst dann sind wir bereit, auf den anderen einzugehen. In einer Gruppe ist der Dialog umso schwieriger, als dass so genannte Leader das Wort an sich reißen und die Ansichten und Meinungen stiller Menschen untergeht. Dabei ist die Collective Intelligence, also die Meinung und Sichtweise ALLER wichtig und kann letztendlich zu einem gemeinsamen Ziel führen. Gerade in diesem Moment spielt die Gruppe eine wesentliche Rolle, sie muss beispielsweise darauf achten, dass auch ALLE zu Wort kommen.

Jeder von uns hat andere Kompetenzen. Der eine ist empathischer und toleranter, der andere kann durch seinen Elan alle mitreißen und ein Dritter verliert auch bei schwierigen Situationen und langwierigen Projekten nicht das eigentliche Ziel aus dem Auge.

Tolle Atmosphäre, zu volles Programm, wenige „echte“ Beispiele

In vier Tagen arbeiteten wir das Übungsbuch durch. Das Programm war straff angesetzt, zum Networken gab es kaum Zeit. Da aber viele Übungen in Gruppen besprochen wurden, kam man sich dennoch „näher“. Die Gruppen war auch insofern hilfreich, als das die oft umständlich formulierten Übungen von anderen Gruppenmitgliedern besser erklären wurden als von den Kursleitern selbst. Das schuf eine tolle Atmosphäre in der Gruppe. Kritisiert wurden neben den schwer zu verstehenden Übungen auch die mangelnde Möglichkeit zum Networken, der kleine Seminarraum, das viel zu straffe Programm und die wenigen Praxisbeispiele. Einige Teilnehmer hätten sich von den erfahrenen Kursleitern gewünscht, dass sie aus den eigenen Erfahrungen plauderten. Immerhin strotzt ihr Curriculum von erfolgreichen Vermittlungen bei „Streithähnen“ festgefahrener Projekte. Ich persönlich war nur erstaunt von der mangelnden Flexibilität der Kursleiter: So wurden beispielsweise beim Feedforward, einer positiven und konstruktiven Kritikmethode, keine Gegenfragen geduldet – nicht einmal Verständnisfragen. So blieben viele Verbesserungsvorschläge der übrigen Teilnehmer für das eigene Projekt unverstanden.

Mein Fazit: Ich habe gelernt, dass die Bereitschaft zum echten Dialog bei anderen zu erwecken, Knochenarbeit ist. Und dass zuhören nicht gleich zuhören ist. Und dass wir Angst haben, uns zu öffnen und eigene Vorurteile, Erfahrungen und Lebensansichten zu vergessen. Und dass wir nicht gerne unsere Comfort-Zone verlassen, denn dialogisieren ist Arbeit. Aber so schnell gebe ich nicht auf, denn Kommunikation ist die halbe Miete. Ich danke nochmal der Gruppe, die mich in schwierigen Momenten weitergeholfen hat 🙂