Trauer gehört zu unserem Leben und doch wird sie oft nicht zugelassen. In der Arbeitswelt müssen wir funktionieren, in der Gesellschaft gilt Trauer immer noch als Schwäche. Und doch ist sie wichtig und kann eine Chance für den weiteren Lebensweg sein.

(Text/Fotos: Alexandra Barone)

Mensch jetzt reiß dich doch zusammen, der Tod deiner Mutter ist doch jetzt schon zwei Monate her!“ Ich fühle mit dir, aber nach zwei Monaten ist doch die Trauerzeit vorbei. Jetzt musst du dich wieder auf die Arbeit konzentrieren“ – Solche und ähnliche Sätze sagen nicht nur die Kollegen auf der Arbeit, sondern kommen auch von Bekannten und Freunden. Der Trauernde ist verunsichert und denkt, dass Trauer eine Schwäche ist, dass er oder sie wieder funktionieren muss.

Ein Trauerprozess ist natürlich und wichtig

Vergessen wird dabei oft, dass der Trauerprozess nicht nur natürlich, sondern auch wichtig ist für die persönliche Entwicklung. Stirbt ein geliebter Mensch ist unser Urvertrauen gestört. Obwohl wir wissen, dass Sterben zu unserem Leben gehört, sind wir geschockt, dass gerade unsere Familie betroffen ist. Wir brauchen Zeit und einen würdigen, zumindest aber individuellen und geschützten, Rahmen, um unseren Trauerprozess zu vollziehen und ihn irgendwann abzuschließen. Psychologen raten daher, den Trauerprozess nicht zu schnell medikamentös zu unterbrechen, da es sich nicht um einen pathologischen Zustand handelt. Trauer wird in aller Regel als Prozess betrachtet, der in vier Phasen verläuft und die Akut-Phase, die Realisierung, den langsamen Neubeginn sowie die Bewältigung der Trauer umfasst. Am Ende dieses Prozesses ist dem Trauernden der Verlust bewusst geworden, aber im besten Fall zugleich auch ein Gewinn.

Nach dem Ärger und Schuldgefühlen kommt die Erkenntnis

Oft ist die erste Reaktion nach dem Tod eines geliebten Menschen Ärger und Aggression – man fühlt sich im Stich gelassen und fragt sich „Wie konntest du einfach so gehen?“ Gefolgt wird dieses Gefühl von Schuldgefühlen und man fragt sich „Was habe ich falsch gemacht? Hätte ich nicht öfter loben und Komplimente machen können? Hätte ich die Kritik des anderen nicht einfach annehmen und vielleicht sogar umsetzen können? Diese Fragen quälen uns, wie gerne würden wir dem anderen einfach nur sagen, wie gern wir sie hatten und wie sehr sie uns fehlt. Ein Aspekt des Trauerprozesses ist es, diese versäumten Aspekte nun in unser Leben einzubauen. Man überdenkt sein Leben und versucht einiges, bestenfalls im Sinne der Verstorbenen, zu ändern, erweist ihm damit einerseits die letzte Ehre und schafft durch die Praxis einen Ort in der Welt, an dem der verstorbene Mensch weiterlebt und man selbst zufriedener leben kann.

Trauer als Chance für ein neues Leben

Durch den Tod eines geliebten Menschen wird die eigene Sterblichkeit bewusst. Oft macht erst die Trauer den Wert der Beziehung und den Wert des eigenen Lebens in ihrem ganzen Ausmaß bewusst und dies stärkt die Fähigkeit zu lieben – andere und sich selbst. Diese wiederum kann hilfreich für eine anschließende Beziehung sein und sie ist zugleich eine der Hauptquellen des Selbstwertgefühls. Ist der Trauerprozess natürlich abgeschlossen, sieht der Trauernde eine neue Chance für sich selbst und sein zukünftiges Leben. Bestenfalls hat man den Mut, neue Richtung einzuschlagen und ein neues Lebensziel zu verfolgen – die eigene Zufriedenheit mit sich und seinem Leben gewinnt an Priorität.

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